mikrima

Michelle Martin
Hier mal ein paar Gesammelte Gedanken zu Dialogen.
Wie man die Sprache natürlich klingen lässt und wie man die Sätze so schreibt, daß sie nachher auch so ausgesprochen werden, wie man sich das vorgestellt hat.
Zumindest sollte man also Autor bei jedem Satz eine Vorstellung davon haben, wie der ausgesprochen klingen soll ;)

1. Kurze Sätze, dafür aber viele
2. Dialog statt Monolog!
 

mikrima

Michelle Martin
Natürliche Sprache
Damit die Charaktere glaubwürdig klingen und sich das Hörspiel angenehm hören lässt, ohne Ausschlag an den Ohren zu bekommen, sollten die Figuren im Hörspiel möglichst natürlich sprechen. Hier ist der Autor gefragt. Ohne Frage kann ein guter Sprecher auch unnatürliche Texte noch allein durch seine Aussprache halbwegs glaubwürdig rüberbringen. Aber das ist kein Freibrief für den Autor, sich bei seinen Dialogen keine Mühe zu geben.
Mit ein paar kleinen Kniffen kann man bereits für viel Realismus sorgen.
Grundsätzlich gilt: Alle Regeln haben Ausnahmen.

[size=12pt]1. kurze Sätze, dafür lieber viele [/size]
Ein Skript ist kein Roman! In Büchern kommen lange und verschachtelte Sätze vor, fast jeder Satz hat einen Nebensatz. Und grundsätzlich sind alle Sätze grammatikalisch vollständig und korrekt.
Doch im echten Leben hört man solche Formulierungen fast nie.
Menschen benutzen kurze Sätze. Und dafür lieber viele Sätze. Die beiden vorangehenden Sätze sind bereits ein Beispiel – der zweite Satz passt schon nicht mehr ins „Subjekt-Prädikat-Objekt“-Schema. Und man würde ihn so nie in einem Buch finden. Es klingt unnatürlich, ihn zu lesen. Wird er jedoch von jemandem „gesagt“, so klingt er auf einmal ganz selbstverständlich und natürlich.
Da man die gesprochene Sprache nur „hört“, aber nicht „liest“, wirken zu lange und verschachtelte Sätze nur verwirrend. Lesen funktioniert deutlich schneller als reden – daher kann man den Satzbau besser wahrnehmen. Beim Reden kann man das nicht und ist darauf angewiesen, dass die Sätze einen einfachen, direkten Satzbau haben.

Also: Beim Schreiben nicht darauf achten, wie sich die Sätze „lesen“, sondern wie man sie tatsächlich sprechen würde. Grundsätzlich kurze Sätze benutzen. Einzelne, abgeschlossene Sinneinheiten. Die können dann durch weitere Sätze ergänzt werden. Bereits geschriebene Takes mal nach Nebensätzen durchgehen. In der gesprochenen Sprache kommen allen voran die „.., daß..“-Nebensätze vor. Bei allen anderen Formen („.., welcher..“, „.., dessen…“ usw.) sollte man vielleicht lieber mal versuchen, es in zwei einzelne Sätze zu packen.

Als Trick kann man sich vor jedem einzelnen Take einfach nur überlegen, WAS die Figur inhaltlich sagen möchte – und dann einfach mal drauf losreden und versuchen, mit eigenen Worten diese Infos wiederzugeben. Diese Sätze dann aufschreiben! Es ist überraschend, wie viele Punkte man dann auf einmal auf dem Papier hat, weil der Mensch eben wirklich zu vielen einzelnen, kleinen Sätzen neigt!

Beispiel:
„Ich habe heute Morgen mit Peter Nowak gesprochen, dessen Bruder meiner Schwester schon nachstellt, seit wir kleine Kinder waren.“
Mögliche Verbesserung:
„Ich habe heute Morgen mit Peter Nowak gesprochen. Sein Bruder stellt immer noch meiner Schwester nach. Schon seit wir kleine Kinder waren.“
Statt einem Satz sind es nun drei, dafür deutlich kürzere Sätze. Einem Sprecher wird es leichter fallen, diese zu sprechen und dem Zuhörer wird es leichter fallen, diese Sätze zu hören und die Informationen aufzunehmen. Der letzte Satz ist übrigens wieder unvollständig – aber genau so würde man ihn wahrscheinlich tatsächlich sagen; und es würde ganz natürlich wirken.
 

mikrima

Michelle Martin
[size=12pt]2. Dialog statt Monolog![/size]

Ein Skript ist kein Roman. In einem Buch kann immer nur ein Charakter gleichzeitig reden - alle anderen
schweigen bis er fertig ist. Das funktioniert auch recht gut, weil der Leser ja nur einen Text gleichzeitig lesen kann.
Im echten Leben hören Gesprächspartner einander aber nicht schweigend zu, sondern sie geben dem Erzähler ständig Rückmeldung. Das heißt nicht, daß sie den Redner ständig unterbrechen - vielmehr ergänzen sie das Gesagte.

Wenn man mal einer anderen Person bei einem Telefonat zuhört - also nur die eine Seite des Gespräches mitbekommt - wird man feststellen, daß selbst wenn die Person am anderen Ende der Leitung gerade etwas längeres erzählt, der Sprecher an diesem Ende ständig kleine Kommentare abgibt. Z.B. "Echt?" "Wow." "Ja ne, ist klar." "Ach?" usw. Noch häufiger sogar einfach nur Laute, wie ein Lachen, ein empörtes Grunzen oder ein zustimmendes "mhm".

Da ein Hörspiel-Skript nicht gelesen, sondern gehört wird, kann man mit solchen kleinen Einwürfen eine Menge Lebendigkeit und Realismus in ein Gespräch bringen. Lange Textpassagen eines einzelnen Charakters, die gelegentlich einfach notwendig sind, können so wesentlich unterhaltsamer und lockerer gestaltet werden.

Beispiel:
Kunde: "Ich kriege die Kaffepads einfach nicht in die Kaffeemaschine!"
Verkäufer: "Ja... das ist bei dem Modell ein generelles Problem. Die haben in der
Bedienungsanleitung nämlich einen Fehler gemacht. Das steht ja, daß
man das Gerät ausschalten soll, um die Pads einzulegen. Tatsächlich
ist es aber so, daß man das Gerät zunächst einschalten muss. Dann drückt
man diesen Knopf hier - der schaltet das Gerät in den Einlege-Modus.
Und wenn man das Gerät dann ausschaltet... dann öffnet sich hier vorne
die Klappe zum Einlegen der Pads."


Mögliche Verbesserung:
Kunde: "Ich kriege die Kaffepads einfach nicht in die Kaffeemaschine!"
Verkäufer: "Ja... das ist bei dem Modell ein generelles Problem."
Kunde: "Ach?"
Verkäufer: "Die haben in der Bedienungsanleitung nämlich einen Fehler gemacht. Das steht ja, daß
man das Gerät ausschalten soll, um die Pads einzulegen."

Kunde: "Ja genau."
Verkäufer: "Tatsächlich ist es aber so, daß man das Gerät zunächst einschalten muss."
Kunde: "(lacht kurz frustriert auf)"
Verkäufer: "Dann drückt man diesen Knopf hier - der schaltet das Gerät in den Einlege-Modus."
Kunde: "(zustimmendes, interessiertes Geräusch) Aha/Mhm..."
Verkäufer: "Und wenn man das Gerät dann ausschaltet... dann öffnet sich hier vorne
die Klappe zum Einlegen der Pads."



Man kann natürlich alles übertreiben. Allerdings ist es leichter, hinterher, wenn man die Aufnahmen vorliegen hat, zu entscheiden, sie lieber dezenter oder gar nicht einzusetzen, als diese kleinen Laute nachträglich einsprechen zu lassen, oder stimmlich passende Soundeffekte aus der Konserve zu finden.


Besonders wichtig ist diese Rückmeldung allerdings bei Telefongesprächen!
Insbesondere möchte ich hier auf eine wichtige Sache hinweisen, die ich schon in mehreren Skripten in einem Telefonat oder einer ähnlichen Situation gelesen habe - nämlich dem Ende eines Gespräches.
Im echten Leben sagt niemand "Tschüß" und legt dann auf. (Oder geht weg, falls es kein Telefonat war.)
Es wird immer noch gewartet, bis das Gegenüber auch nochmal was gesagt hat. Beobachtet euch selbst beim Telefonieren!

Negativ Beispiel:
(Telefonat)
Stefan: "Morgen abend spielt doch Schalke. Hast Du Lust vorbei zu kommen? Wir könnten ja den Grill
anschmeissen."

Peter: "Ja gerne. Du besorgst das Bier und ich bringe die Bratwürstchen mit. Bis morgen dann. Tschüß."
Auflege-Geräusch


Mögliche Verbesserung:
Stefan: "Morgen abend spielt doch Schalke. Hast Du Lust vorbei zu kommen? Wir könnten ja den Grill
anschmeissen."

Peter: "Ja gerne. Du besorgst das Bier und ich bringe die Bratwürstchen mit."
Stefan: "Jo, alles klar!"
Peter: "Bis morgen dann. Tschüß."
Stefan: "Tschö!"
Auflege-Geräusch
 
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