Poldi

Mitglied
Ungeduld des Herzens

ungedulddesherzens.jpg


Erster Eindruck: Liebe aus Mitleid

Leutnant Anton Hofmiller erhält eine Einladung an der ungarischen Hof und lernt dort die Tochter des Magnaten Kekesfalva kennen, die gelähmt ist und schon bald in inniger Liebe zu dem jungen Mann entbrennt. Eher aus Mitleid denn aus wirklicher Sympathie macht dieser Edith immer wieder Hoffnungen auf eine baldige Genesung und verlobt sich schließlich sogar mit ihr...

Stefan Zweigs einziger Roman „Ungeduld des Herzens“ wurde im Jahr 1961 von verschiedenen Radiostationen als Hörspiel umgesetzt, nun endlich gibt es dieses Werk im Handel erhältlich, untergebracht im Sortiment des Audio Verlags. Geschildert werden nur wenige, dafür umso intensivere Monate aus dem Leben von Anton Hofmiller, die dramatische Liebe zwischen ihm und der gelähmten Edith sind der Kernpunkt dieses Stücks. Unverschleiert zeigt Zweig die Folgen dieses falschen Mitleids, dessen Folgen sich im Laufe der Zeit immer weiter verschlechtern und die Situation Hofmillers immer auswegloser erscheinen lassen. Die zarte, zerbrechliche Edith wird in ihrer ganzen hoffnungsfrohen Natur, aber auch der ihr anhaftenden Naivität gezeigt, sie steigert sich immer weiter in diese Liebschaft herein und sieht erst nicht, welche Motive Hofmillers Handeln begründen – all dies wird sanftmütig, aber schonungslos gezeigt. Man lebt und leidet mit den Charakteren, erkennt deren Hintergründe, ohne völlig auf ihrer Seite zu stehen. Doch auch die anderen Szenen, die sich nicht ausschließlich mit den beiden beschäftigen, sind gut geschildert und vermitteln einen lebendigen Eindruck. Das Ende ist sehr dramatisch, aber schon früh kann man diese Entwicklung erahnen und will die Protagonisten aus diesem Teufelskreis herausreißen. Eine mitfühlende und -reißende Inszenierung voller Emotion, die sich stark mit den Fehlern der Charaktere auseinandersetzt.

Die Auswahl der Sprecher ist hervorragend, jeder passt genau zu seiner Rolle und spricht diese mit Leidenschaft und Elan. Erzähler ist Walter Andreas Schwarz, seine ruhige, feste und doch dynamische Stimme führen durch die Handlung, dennoch bleibt er eher im Hintergrund und überlässt den handelnden Personen die Spielfläche. Als Hofmiller ist Matthias Fuchs zu hören, der den weichherzigen Mann mit all seinen Facetten, seinen Fehlern, seinem unüberlegten Handeln gekonnt darzustellen weiß. Am besten hat mir jedoch Gustl Halenke als Edith gefallen, die die ganze Zerbrechlichkeit ihres Charakters in ihre Stimme legt und den Hörer so wirklich zu berühren weiß. Auch Kurt Ebbinghaus, Dagmar von Thomas und Viktor Stefan Görtz sind zu hören.

Ein ganzes Orchester ist zur musikalischen Untermalung eingesetzt worden, und entsprechend eindringlich ist diese dann auch gelungen. Wunderbar fängt sie die einzelnen Stimmungen ein und setzt sie gekonnt in Szene, ist aber eher sparsam eingesetzt und kann so für effektvolle Akzente sorgen. Auch Geräusche wurden im sinnvollen Maß eingebaut und lassen alles lebendiger wirken.

Sehr gelungen ist die hochwertige Aufmachung für dieses Hörspiel. Das Cover ziert die Fotografie einer Frau im Brautkleid, zu sehen lediglich von der Schulter an abwärts und leicht verschwommen. Eine starke Melancholie geht von diesem Motiv aus. Auch im beiliegenden Booklet wird mit diesem Thema gespielt, enthalten sind ausführliche Informationen zu Stefan Zweig.

Fazit: Die dramatischen Entwicklungen wurden gekonnt und feinfühlig umgesetzt, mit sehr präzisen Sprechern und einigen gekonnten Stilmitteln – insgesamt sehr gelungen!

VÖ: 19. August 2011
Label: Der Audio Verlag
Bestellnummer: 978-3-8623-1111-8
 
Oben