Nee

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Sprechprobe
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Aus Spaß wird Ernst und daraus eine kurze Geschichte. Falls sie jmd einsprechen möchte, würde ich mich über eine Nachricht freuen, sobald sich das Ganze im Thread wiederfindet. Ich wünsche viel Spaß beim Lesen.

Im Stadtpark



An einem warmen Sommertag zog sich Marie ihr Lieblingskleid an, packte ein Buch, eine Flasche Wasser und einen Apfel in ihre große Volanttasche und verließ ihre Wohnung in Richtung Stadtpark. Eigentlich hatte sie Urlaub und einer der vielen Badeseen wäre viel näher an ihrer dezentralen Wohnung gewesen. Aber am Badesee würde sie ihn nicht sehen. Er verbrachte jeden Tag seine Mittagspause im Stadtpark, genau wie Marie. Genau wie Marie hatte er jedes Mal ein Buch und eine Kleinigkeit Proviant dabei. Allerdings saß er immer auf der Bank schräg gegenüber. Jedes Mal nahm sich Marie vor, den Mut aufzubringen und ihn anzusprechen. Doch heute würde alles anders werden. Heute war ihre Frisur tadellos, ein hoher Pferdeschwanz, der bei jedem ihrer Schritte wippte. Die blaue Spange mit den Strass-Steinen hielt ihre braune Haarpracht dennoch im Zaum. Heute umschmeichelte ihr weißes Leinenkleid mit dem Blumendruck ihre Figur. Marie war sich sicher, heute würde ihr das Kunststück gelingen! Auch wenn sie sich noch nicht sicher war, wie sie das Gespräch beginnen sollte. Sollte sie sich einfach neben ihn setzen? Und vorher vielleicht mit einem kurzen `Hallo´ begrüßen? Ihn fragen, was er da lese? Oder was er denn von dem anhaltenden guten Wetter halte? Möglicherweise könnte sie ihm auch ein Kompliment über sein geschmackvolles Hemd machen? Wie gut er doch damit aussah. Der enge und doch luftige Schnitt seiner Hemden betonte seine herrlich breiten Schultern und seine muskulöse Statur. Bei diesen Gedanken schoss Marie die Röte in die Wangen. Verwundert blieb sie vor ihrer angestammten Parkbank stehen. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie sie hierher gelangt ist. Wie in Trance hatten ihre Füße sie ganz automatisch hierher geführt. Marie strich ihr Kleid glatt, nahm ihre blaue Tasche von der Schulter und packte ihr Buch aus. Ein Blick auf ihre Armbanduhr verriet ihr, dass er gleich kommen müsste. Sie schlug das Buch auf und entnahm den weißen Briefumschlag, den sie als Lesezeichen benutzt hatte. Der Romanheld Claude war gerade dabei den Ärmelkanal in einer Nussschale von Boot zu überqueren. Er hatte gewettet, diese Strecke binnen eines Tages zurückzulegen. Leider zog ein Sturm auf und sein Boot drohte zu versinken. Weit und breit war kein Land zu sehen. Ob dieser Spannung verlor Marie für eine halbe Stunde ihr eigentliches Anliegen aus den Augen. Als sie von ihrem Buch aufblickte, war die Bank schräg gegenüber immer noch leer. Der Anblick ihrer Uhr ließ sie nervös werden. Würde er heute nicht seinen üblichen Platz einnehmen? `Bitte´, dachte Marie `bitte, komm!´ Die nächste halbe Stunde verging ebenfalls ohne eine Spur von ihm. Claudes Nussschale war gekentert. Obwohl Claude ein ausgezeichneter Schwimmer war, spielten die Wellen mit ihm ihr grausames Spiel. Trugen ihn hoch, zogen ihn hinunter in einen Strudel und schlugen ihm ihr salziges Wasser ins Gesicht. Der Held hatte viel Wasser geschluckt und drohte zu ertrinken, als ein passierender Frachter ihn durch Zufall entdeckt hatte und auflas.

Marie sah erneut auf die Uhr. Der große Zeiger war nur fünf Minuten weitergewandert. Als sie aufsah erschrak sie. Der Mann von der Parkbank gegenüber schlenderte den Weg entlang. Aber er war nicht allein. Er ging Arm in Arm mit einer anderen Frau durch den Stadtpark. Marie fühlte sich nun Claude um so näher. Fühlte sich in ihren Gefühlen ertrinken. Das Salzwasser würde auch auf ihren spröden Lippen brennen und ihre Lungen füllen. Aber nein, sie war auf dem Festland. Das Paar kam näher. Der Mann von der Parkbank nickte ihr zu als sie vorübergingen. Marie sah sich nicht im Stande es ihm gleich zu tun. Es schien ihm gleich. Er ging vorüber, während Marie ihr Buch höher hielt, um ihre Tränen zu verbergen. Die Zeilen verschwammen vor ihren Augen. Wer würde sie vor dem Ertrinken retten? Sie hörte die Frau, an deren Stelle sie so gerne gewesen wäre, fragen, wer sie denn sei, die Frau mit dem Buch auf der Parkbank. Was Marie dann hörte, lieferte ihr den Stoff für die Tränen in den darauffolgenden Nächten. „Keine Ahnung, aber bevor ich dich kennen gelernt hab, saß ich Tag für Tag auf der Bank und hab mich nicht getraut sie anzusprechen.“ Als er ihren empörten Blick sah, fügte er noch hinzu: „Wie gut, dass du nicht so schüchtern bist, wie ich, Liebes.“ Beim Letzten Wort gab er seiner leicht eifersüchtig drein schauenden Begleitung einen Kuss auf die Wange und beide lächelten sich verliebt an.
 

mica

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AW: [Romantik] Im Stadtpark

Schöne Geschichte, gut geschrieben.... gefällt mir!
Würde ich gerne einsprechen :music:
 

Nee

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Sprechprobe
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AW: [Romantik] Im Stadtpark

Freut mich, dass sie dir gefällt. :D
Da bin ich mal gespannt auf das Ergebnis. ^^
 
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