Ohrwell

Hell-E-Barde
Seit geraumer Zeit beschäftige ich mich mit diesem Land, mit seiner Kultur und seiner Gesellschaft. Mein bisheriges Fazit: es ist ein Land der Extreme und Widersprüche. Auf der einen Seite dieses erbarmungslose Streben nach Perfektion mit einem unerschütterlichen Glauben an Tradition; dann gibt es aber noch eine andere Seite, die ich aber gar nicht so abwegig finde: die Sau raus lassen (grell und schrill - und zwar bis der Arzt kommen muß) in kontrollierten Schüben, so will ich es mal benennen. Im grunde ein sich selbsterklärendes Ventil, um den angestauten Stress abzubauen. Das Leben dort scheint schon im Kindergarten auf Erfolg geprägt zu werden. Wer durch den Rost fällt, fällt hart zu Boden und wird auch nicht mehr aufgehoben – mittlerweile jedoch widerstrebend mitgeschleift. Der Beruf läßt kaum Zeit, um partnerschaftliche Beziehungen zu knüpfen, das läuft meist über Partnervermittlung ab. Das ist auch der Grund, weshalb in kaum einem anderen Land wie Japan so viele Scheidungen ausgesprochen werden – wen wundert’s auch, wenn man frühestens in den Flitterwochen merkt, dass der Mensch seitwärts doch nicht zu einem paßt. Die junge Generation lebt etwas planlos dahin im krassen Gegensatz also zum Establishment. Viele junge Japaner wollen ihr Leben im hier und jetzt genießen, zumal auch die Jobsituation katastrophal sich darstellt. Das Stichwort ist NEET (Not in Employment, Education or Training); ein Phänomen, das besonders in Japan die Wirtschaft zum Stottern bringt: gemeint sind meist damit ausgebildete AkademikerInnen, die jedoch keinen Job finden, der sie erfüllt – und sich das Kreuz schinden lassen für einen Posten, den man nicht mag, wollen immer weniger Menschen dort.

Nichtsdestotrotz bin ich fasziniert von diesem Land (auch wenn ab und zu mal die Erde wackelt, was ja in letzter Zeit verheerende Auswirkungen hatte siehe Fukushima - an das die meisten wohl schon gar nicht mehr denken) und wenn es möglich wäre, würde ich gern dort mal eine Zeit lang verbringen, nicht als Tourist sondern an Ort und Stelle leben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Oben