AW: "Aus dem Leben eines jungen Dichters" - Erzählung in Reimform
1.SZENE
(Der junge Dichter geht durch die Straßen, in Gedanken versunken, mit langsamen Schritten.)
Die Sonne strömt durch’s Wolkendach,
die Strahlen fall’n zu hundertfach
auf Erden, schändlich anzuseh’n;
verdrängen nun die Ruh‘ der Nacht,
wo leise sonst die Blätter weh’n;
ein Klang, der mich so glücklich macht,
doch kann ich tags das Lied nicht hören,
das mir das Leben komponiert.
Der Lärm, der Krach der streun’den Tölen,
das Lachen, dass es mir verwehrt
die rein‘ Gedanken zu versteh’n.
Kann’s kaum erwarten fortzugeh’n.
(Eine Bettlerin kreuzt seinen Weg.)
Bettlerin:
Oh edler Herr, was mir begehrt
Wär, dass ihr mir ein Heil gewährt.
Junger Dichter:
Ein Heil? Von mir? Ein schlechter Scherz.
Nun zieht von dannen, schändend Herz.
Bettlerin:
Ich bitte sie, nur ein‘ Moment!
Möcht, dass ihr mein‘ Geschichte kennt!
Junger Dichter:
So ist das Wesen einer Frau -
Bloß reden, reden, ohne Sinn!
Nun stellt euer Talent zur Schau;
Wird zeigen, ob ich’s würdig find!
Bettlerin:
Erhör mein Leiden, junger Mann:
Einst lebte hier ein‘ schöne Magd,
die jeder zu begehren fand;
ein gutes Leben, nichts beklagt.
Doch eines Tages fand’s ein End,
das Glücke lies es weinend steh’n,
so wie manch ei’m die Zeit verrinnt
zerbrach der Bund von ihrer Eh‘.
Ihr Manne starb bei ei’m Duell,
die Schulden standen auf dem Haus;
kein Taler und kein Lichte hell;
und die Gesellschaft warf sie raus.
Ihr Kinde starb an Fieber’s Qual;
Nur Hilflosigkeit und Verfall.
Schau in des Schicksal’s Angesicht;
Mein Lieber, diese Frau war ich.
Junger Dichter:
Ja, ist’s ein wahrlich nett‘ Geschicht‘,
doch wahrlich glauben kann ich’s nicht!
So ohn‘ Gefühl, so monoton,
wer glaubt dir deinen Possen schon?
Ja, so ein Scherzbold mag ich seh’n!
Doch jetzt, mein Fräulein, werd ich geh’n.
Bettlerin:
So geh mit deinem kalten Herz!
Mein Lebenskraft, getränkt in Schmerz,
ham‘ mir die Tränen ausgesaugt!
Was soll’s mich stör’n wenn du’s nicht glaubst!
Ich bin mir dieser Schuld bewusst,
dass Mensch‘ so egoistisch ist!
Die Freundlichkeit bleibt unbenutzt,
solang’ im warmen Stübchen sitzt!
Junger Dichter:
Ich hab‘ kein Herz? Was redest du?
Bettlerin:
Ein kaltes Herz, sie hör’n nicht zu!
Junger Dichter:
Glaubt ihr, ihr seid was Besseres?
Bettlerin:
Gewiss bin ich nichts Schlechteres.
Junger Dichter:
Woran machst du dies‘ Meinung fest?
Bettlerin:
Sind beide menschlichem Geschlechts.
Junger Dichter:
Gewiss doch, doch sie sind ein Weib.
Bettlerin:
Seid ihr als Manne mir geweiht?
Junger Dichter:
Ich habe einen höh’ren Wert.
Bettlerin:
Ach, wie er sich für Gotte hält!
Junger Dichter:
Ein Gott bin ich bei weitem nicht.
Bettlerin:
Und doch versuchen sie es sich.
Junger Dichter:
Versuche nichts zu unterstellen!
Bettlerin:
Will doch nur ihren Sinn erhellen!
Junger Dichter:
Das Helle, das ist mir zu wider!
Weiter reden, mir ein Groll!
So leg ich meinen Wortschwall nieder,
doch frag dich erst was tu’en soll ?
Bettlerin:
Bloß ein paar Taler oder zwei.
Junger Dichter:
Nehm‘ was du brauchst, mir einerlei!
Mein‘ Zeit für heute rennt vorbei;
Nehm alles, wenn es dir beliebt,
auch wenn du es nicht recht verdienst!
So schenk ich dir ein wenig Glück,
was mir das Leben je versagt;
dein falsch‘ Gered‘ macht mich verrückt
und bist’s nur du was mich grad‘ plagt!
Der Grund der Wohltat ist egal,
auch wenn ich nur verschwinden will
war doch dein Heil nun meine Wahl,
so sei so nett und sei nun still!
(Der junge Dichter legt der Bettlerin 10 Taler in ihre Hände und geht mit geschwindem Schritt davon.)