Hallo
@dieVERdener !
Seit gut 40 Jahren mache ich nun Tontechnik, mehr oder minder intensiv, so wie mein Leben das eben zuließ, ich das wollte.
Wie 7Klang schon schrieb gibt es eine schier Unmenge von Kompressoren und fast wöchentlich wird das Rad neu erfunden und das Ei des Kolumbus entdeckt. Oder so ähnlich.
Die unterschiedlichen Bauarten haben verschiedene Vorzüge, ein paar Nachteile und jede Art für sich im "Klang", sagen wir besser im Klangbild unterschiedlich.
Bedingt durch die sehr unterschiedlichen Schaltungsarten (mit hunderten von Unterarten und Mischformen) erzeugen sie ein charakteristisches Klangbild. So wie eine Geige anders klingt als die ähnlich oder gar baugleiche daneben.
Mit Tontechnik ist es wie mit gutem Wein. Natürlich ist auch der billigste Fusel roter Wein, aber es gibt da Unterschiede. Das lernt man nur über Erfahrungen, oder wie sonst sollte man einen Merlot von einem Primitivo unterscheiden können?
In der Tontechnik kann Erfahrung nur durch noch mehr Erfahrung ersetzt werden. Oder wie ich gerne sage: Am besten: Testen!"
Ab einem gewissen Bereich werden die Unterschiede immer feiner und weniger deutlich hörbar. So wird irgendwann der Punkt kommen, wo der Kopfhörer für 50€ einfach nicht mehr die Differenzierung bringen kann, wie ein Kopfhörer, der 20 Mal mehr kostet. (Beispiel)
Hört man dann die Stücke, die man gut zu kennen glaubt über noch differenzierter abbildende Komponenten hört man manchmal "neue" Stücke.
Mir ist das mal mit "Sledgehammer" von Peter Gabriel so gegangen. Ich dachte, ich kennte das Stück sehr gut. Dann habe ich es bei einer Freundin mal über eine sehr, sehr hochwertige Anlage abgehört und ich habe für die Dauer des Stücks vergessen, daß ich eigentlich mit ihr klären wollte, daß ich sie so sehr liebe, daß ich mit ihr den Rest meines Lebens verbringen wollte. (TL;DR: Wir haben dann doch nicht geheirartet)
Doch zurück zu Sledgehammer. Diese Tiefenstaffelung, diese leicht abgedämpfte Triangel, der ausgefallene Chorus-Effekt auf dem Bass ... all das habe ich da zum ersten Mal gehört.
Also, mach Dich auf die Reise. Mach das Machbare. Natürlich hat man mit den schier sündhaft teuren Geräten Möglichkeiten, die man mit einem "Multicom" nicht hat. Doch auch damit kann man arbeiten, Erfahrungen sammeln und immer besser werden.
Ich habe es immer so gehalten: Ich habe mir die ganzen "ultimativen" und "maßstabsetzenden" Geräte angehört und mein Gehör entscheiden lassen. Heute ist es weder 19" noch Formfaktor "500", sondern Plug-Ins. Doch das Prinzip ist dasselbe: Wenn man nicht weiß was man wie damit erreicht, ist es rausgeschmissenes Geld.
Doch genug gemeckert!
Wie kannst Du, ohne ein Vermögen auszugeben, hier besser werden?
Zunächst einfach mal anfangen. Ganz einfach, machen. Probier aus, wie sich welche Einstellungen auf welche Art von Signalen auswirkt. Verwende ruhig auch mal "Extrem-Einstellungen". So verwende ich z.B.: für eine "Heavy-Metal-Kick-Drum" drei Spuren nur für die Kick-Drum. Spur 1: Ein gutes Stück EQ, keine Kompression und mit möglichst hohem Pegel fahren. Spur 2: Ein angepasster EQ, "normale" Kompression und auch einen hohen Pegel fahen und Spur 3: Alle Frequenzen über 300 Hz werden auf ein Minimum reduziert, Kompression 10:1, Threshold: -20 dB, Pegel nach Gusto.
Das gibt eine KICK-ASS-KICK DRUM. Spur 3 schiebt im Bassbereich alles nach vorne, was große Pappe hat (aka Subwoofer), Spur 2 sorgt für den "Punch" und Spur 1 für die Luftigkeit und den "Kick". Das alles zusammengemischt, ergibt diesen fetten, kick Sound, der im Heavy-Metal Bereich erwartet wird.
Wußte ich auch nicht sofort. Hat ein paar Jahre gedauert, bis ich das herausgefunden hatte. Ich habe lange probiert, bis ich es "hatte".
So ist das auch mit Kompressoren für Stimmen. Ich lerne hier auch von Kollegen, wie sie eine Sprecherstimme durch mehrere Stufen von Kompressoren schicken. Fand ich interessant und habe es auch mal ausprobiert, jetzt gehört es zu meinem "Repertoir".
Es hilft Dir sicherlich am meisten weiter, wenn Du Dir alle Meinung anhörst, sie für Dich ausprobierst und dann für Dich entscheidest, ob das für Dich passt oder nicht.
Ich bin bis heute kein Freund von Kompressoren auf ausgebildeten Jazz-Stimmen. Das macht fast immer mehr kaputt, als es nützt.
Vielleicht einen "Brick-Wall" Limiter, damit sie nicht übersteuern, wenn sie volle Dynamik geben, aber das ist es auch schon. Dafür lieber etwas mehr Mühe beim Pegeln und Entzerren geben. Das bringt, nach meiner Meinung einfach mehr.
Bei Rock 'n Roll, kommt bei mir immer ein ordentliches "Pfund" Kompressor auf die Stimme. Halt so wie es passt.
Bei Hörspielen, wäre ich auch eher zurückhaltent mit Kompressoren. Bei Profis würde ich sogar dahin tendieren ohne Kompressor zu arbeiten. Vielleicht in einer turbulenten Szene mit vielen, vielen Geräuschen, um die Stimme ein bißchen hervorzuholen, aber ansonsten eher nicht.
Doch Du wirst NIEMALS verstehen was es bedeutet solche Geräten / Plug-Ins einzusetzen und wie und wann und wo es passt, wenn Du es nicht ausprobierst. Laß Dein Gehör entscheiden, sei offen für neue Einsichten und Erfahrungen, probier so viel wie irgendwie möglich aus und auch in der Tontechnik gibt es nicht nur einen Weg, der nach Rom führt.
Viele interessante Hörerfahrungen basieren auf "Fehlbedienungen", "Crazy-Einstellungen" und purer Experimentierlust.
Die kostenlosen Plug-Ins sind nicht per se schlecht oder von minderer Qualität. Es gibt da sicherlich viele, die nicht zu einem passen, aber hin und wieder findet man ein "Juwel". Einfach machen, ausprobieren, hören, verbessern, hören, weiter verbessern, hören .....
Es ist ein eigenes Universum mit unendlichen Möglichkeiten und unentdeckten Klangbildern. Come in and enjoy!