schaldek

Mitglied
Teammitglied
(Hehos: Im Text gehts um suizidale Gedanken und den Begleitschimmer dazu. Mir gings vor allem ums Ambiente, weniger
um die Konsequenz. Wenn man genau liest, ist der Text aber voller Hoffnung und gegen jedes Ende, besonders am Ende ;))


Morgengrauen

Aus einem Traum war ich erwacht, ohne viel Erinnerung daran.
Ein Gefühl des Ekels lag noch in mir und wollte nicht weichen.

Ich zog mir meine Jogginghose an und ging rüber zum Fenster.
Was, wenn ich es also öffnen und meinem Bruder endlich zeigen würde,
wie ernst ich es meinte.
Es würde sich schnell herum sprechen; sowohl bei uns in der Familie, als auch hier in der Siedlung.
Vielleicht würde keine Stunde vergehen und alle wüssten es.
Das, was keiner für möglich gehalten hatte, das, was niemals passieren konnte
mit einem gut aussehenden Jungen, der gerade im Begriff war, die High School zu beenden
und das mit Bestnote.

Meine Mum, die der erste Mensch sein würde, der mich so sieht.
Es wäre ja dann nicht ihre Schuld gewesen.
Mein Pa auf der Arbeit, den ein unvermittelter Anruf erwartete, welcher
allen Frohsinn in ihm stoppte. Vielleicht für immer.
Und wie sicher bin ich, dass da noch Frohsinn ist!
Mein Bruder, für den ich wieder der Liebste wäre.
Plötzlich beschützenswert, so wie früher.
Vielleicht ja nun wirklich für immer.

Kalte Dezemberluft zerrte an mir. Ich hatte meinen rechten Fuß angehoben und setzte ihn
nun auf das Fensterbrett. Das hatte ich schon oft gemacht, aber den nächsten Schritt – ich stand
bereits auf dem Außensims und starrte in fliedergraue Winterwolken –
den hatten nur meine Gedanken gemacht. So oft.

Verrückt, dachte ich nun. Die Eiseskälte hatte ich nie bedacht. Wie der Frostnebel von draußen
sich sofort auf meine nackten Füße gelegt hatte; als wolle er mich warnen.
Aber wovor denn?!
Wieso habe ich an diese Kälte einfach nicht gedacht?!
Und wieder bin ich so, wie man es immer sagt von mir!


Ich war jetzt ganz ruhig, nahezu bewegungslos. In mir verglühte noch langsam die Bettwärme
einer unruhigen Nacht, in der Szenarien über meinem Kopf getanzt hatten, dunkelhaft
wie ein Mobile aus schwerem Teer.
Erstarrt war ich jetzt und dann fand ich ein umgestürztes Lächeln in mir.

Es mussten bereits Minuten vergangen sein und dann wurde es mir klar.
Ich tat es. Längst schon. In meinen Gedanken hier draußen, hatte mich
die Todeskälte schon umfasst, mit aller List.
Meine Füße, mein Gesicht, meine Hände; längst griff sie nach mir.
Alle Wärme in mir würde bald verglüht sein.
Ich wusste, was passieren würde, sah es vor mir jetzt mit allem Schreck.

Dann plötzlich wusste auch ich, was wirklich war.
Für immer.
 
Zuletzt bearbeitet:

Chaos

Schneewittchen
Teammitglied
Sprechprobe
Link
Pfuh, harter Tobak hier. Den Teil, in dem die Protagonist:in an die Familie denkt, find ich besonders eindrücklich.
Ziemlich beklemmend auch das Thema mit der Kälte... also Außen- und Innen-temperatur, die sich angleichen und angleichen werden. Sehr starkes Bild.
Vielleicht hätte man einiges noch ein bisschen stärker akzentuieren können, aber ich müsste mir das dann nochmal genau durchlesen und auf mich wirken lassen, um differenzierteres Feedback geben zu können.
 
Oben