Finsterkev

Autor/ Cutter/ Hörspielmacher
Sprechprobe
Link
Spannendes Thema. Kann jetzt nur aus Sicht eines Studenten/ Hobbyisten sprechen, falls das andere, professionelle Gründe hat, möge man mich gern korrigieren, denn ich bin der Ansicht, man nimmt die Spuren einzeln auf und bürstet sie möglichst clean, um damit vernünftig weiterarbeiten zu können.
Dank extrem potenter Software stehen uns im Cut/Mastering eine riesige Auswahl an Werkzeugen zur Verfügung, um mit den Aufnahmen "spielen" zu können. Gerade beim Thema Hall/Echo ist das, zumindest meiner Erfahrung nach, wichtig:
Mit einer möglichst neutralen, hallfreien Aufnahme nah am Mikro kann ich viel präziser Arbeiten und den Raumhall einstellen, als mit einer, die bereits von sich aus Hall mitbringt. Eine cleane Aufnahme kann ich einfacher im Mastering von links nach rechts "bewegen" und anpassen, als eine, bei der die Sprecherin vor dem Mikro von links nach rechts gelaufen ist. Ich bin mit einzelnen, cleanen Aufnahmen in Nahaufnahme einfach viel flexibler. Es ist ja sogar möglich, das ganze binaural einzustellen und Stimmen "hinter" den Hörer zu legen, was bei der Aufnahme sehjr aufwändig und mit Nebenerzeugnissen (Hall, Dumpfheit u.ä.) belegt wäre

Was das Zusammenspiel angeht, ist es wohl die Frage, ob man sich den Aufwand vor dem Sprechen mit ausgiebigen Proben, in der Regie mit möglichst detaillierten Anweisungen oder im Schnitt/Mastering mit Atmern und Sprechertrennung macht. Ich nehme die Leute in der Regel einzeln auf und briefe sie die ganze Zeit und lese auch mal vom Schriebtisch aus die Texte des Gesprächspartners ein, um einen Flow zu simulieren und habe den Eindruck, dass es soweit ganz gut funktioniert. Neulich haben wir mal tatsächlich zu zweit vor dem Mikro gestanden und es gab im Cut dann Probleme, sobald einer in den Text des anderen reingeatmet hat.

Das waren so meine Erfahrungen, was meinen Geschmack angeht, so liebe ich das sogenannte "overacting" beim Sprechen, weil ich finde, je übertriebener der Sprecher ist, desto interessanter kommt es beim Zuhörer an. Das ist aber bei weitem nicht allgemeingültig, falsch platziertes Übertreiben kann eine Aufnahme/ einen Dialog böse verhunzen.

Desweiteren schließe ich mich der Meinung an, dass es mehr als gefühlte fünf Stimmen im professionellen Bereich geben sollte. Ich freue mich immer, wenn ich, egal ob im Hobby oder Profibereich, mal Stimmen höre, zu denen ich nciht direkt ein Gesicht im Kopf habe. Vor allem im Synchro-Bereich.
 

Killip

Killip
@Sirius damit rennst du bei vielen bestimmt die Türen ein. Ich bin 100% deiner Meinung.

Ich glaube das Problem ist heute einfach die perfekte Technik und Software und der fehlende Mut der Tonleute, einfach mal der kreativität vor dem Mikrofon freien Lauf zu lassen. Und die Tools die sie haben kreativ einzusetzen und nicht alles Aalglatt zu bügeln und Fett zu mischen. Da haben die alten richtigen Toningenieure und Echten Tonmeister uns jungen Audiofutzis was vorraus ;) Wenn ich mehr Luft habe werde ich hier mal weiter ausholen.
 

Phollux

Robert Kerick
Sprechprobe
Link
Wie heißen doch gleich die Gründe die gegen die, nennen wir sie "schauspielerisch-qualitativ-hochwertige-Ensemle-Aufnahmen" sprechen?
1. Geld, 2. Geld und 3. Geld...
Sonst hätte sich das x-en gar nicht soweit durchgesetzt.
@Sirius Wie läuft das denn im Film, wie werden dort Ensembleaufnahmen geplant damit sie am wirtschaftlichsten ablaufen? Sicherlich werden im Vorfeld (sprich bereits als Vorgaben für den Drehbuchautoren) Entscheidungen getroffen um die Kosten überschaubar zu halten, oder? Ich denke da an max. zul. Schauspielerzahl, Kulissen kompl. in CGI usw.
 

Killip

Killip
Ich meine wenn man sich die Interviews von den Mediapaten auf YT anschaut, erzählen ja viele, dass man damals eher gemeinsam und zusammen gespielt hat, wohingegen heutzutage (aus Kostengründen) hautsächlich separat aufgenommen (ge'x't) wird
Die Zusammenarbeit zweier oder mehrerer Schauspieler im Studio ist einfach nur erfrischend ;) ich hatte in meiner bisherigen Studiozeit zweimal das vergnügen. Und die Kollegen erzählen heute noch wie großartig die das fanden.
 

Killip

Killip
Ich höre oft im Studio so Kommentare wie, wenn der Typ ne Maske aufhat „das machen die dann in der Mischung“ Pustekuchen in der Mischung haben die gar keine Zeit für sowas. Also setz ich dem Typ ne Maske auf ;) oder der Spricht in ne Tasse, na dann lass ich den Kollegen in eine Tasse sprechen etc. Wenn man einmal in einer Kinomischung für Synchronisation gesessen hat, weis man erstmal wie wenig von den Möglichkeiten aus Zeitgründen ausgenutzt werden kann.

Ich übertrage das jetzt mal frecherweise auf das gemeine Hörspiel. Wenn ein Sprecher das aufstehen und hinsetzen nicht mitspielt naja was soll man in der Mischung draus machen. Die kreativität und das spiel und die bewegung, das passiert alles vor dem Mikro nicht danach. Wenn ich aber alles super trocken aufnehme, weil ich angst vorm Raumhall habe, und alle Möglichkeiten haben will das Signal zu bearbeiten (die ja später sowieso nicht ausgenutzt werden können) naja dann lässt das auch so gut wie kein Spiel zu und da liegt ja das Hauptproblem. Aufgrund unseren heutigen versauten Hörgewohnheiten, wird alles nur noch platt gemacht. Dynamic weg = Spiel weg. Spiel ist dynamic ist gleich laut und leise ist gleich bewegung vor dem mikro ist gleich bewegung in den hohen frequenzen „on mic“ „off mic“ diese Denke wird in den Kommerziellen Produktionen zumindest zum großteil nicht mehr zugelassen. Ist ka das selbe in der Musik, alles nur noch Fett, klingt halt alles gleich.

Aber es ist natürlich schwierig in einem Kommerziellen Hörspiel wo du eine Regie hast die vielleicht später garnicht beim Cutter, Sounddesigner oder Mischer nebendran sitzt und sagen kann hier hab ich das so gemeint und hier so. Das muss alles das Script vorgeben. Und alle müssen verstehen wie was gemeint ist, damit es nach den Aufnahmen nicht zu kontraproduktiven entscheidungen kommt. Da kann ich schon verstehen, dass die Entscheidung heisst, schön direkt aufnehmen, dann haben wir alle Möglichkeiten. Aber alle Möglichkeiten zu haben ist Gift für kreative Prozesse. Tja und nun?

Wenn ich die Aufnahmen für mein Hörspiel mache, dann hab ich schon genau im Kopf wie die Szene später aussehen wird, wie ich sie auditiv gestalte, daher kann ich natürlich genaue Regieanweisungen geben. Spiel mal da hinsetzen und spiel mal da laufen mit. Das kann ich aber nur, weil ich später das Sounddesign und die Mischung mache. Mich würde mal interessieren ob es bei kommerziellen Produktionen noch leute gibt die das Gesamtwerk vor augen haben und daraus kreative Entscheidungen treffen.

Ich weis nicht ob mir noch jemand Folgen kann irgendwie ist das jetzt ziemlich ausschweifend und durcheinander geworden...
 

Killip

Killip
Ach ja und ein Gedanke noch zur Sauberkeit der Sprache.

Folgende Szene: ein Mensch spricht mit einer Computerstimme. Worst Case: Ich nehme alles dicht auf wegen des bösen Raumhalls und weil ich die technischen Möglichkeiten habe, putze ich beide Aufnahmen bis sie super sauber sind und ich EQ beide Stimmen bis sie Perfekt klingen. Na...welche Stimme ist der Computer und welche der Mensch.

Warum nicht so: Ich putze nur die Computerstimme bis sie Perfekt ist und den Mensch lass ich mit all seinen Ecken und Kanten und geschmatze etc. Voila am besten ich mach die Stimme noch etwas schmaler mit dem EQ oder noch besser. Ich nehme gleich die Computerstimme sehr dicht am Mikro auf und den Mensch weiter weg, dann klingt er so schon schmaler als der Computer. Oder noch besser Computer Großmembran und dicht, Mensch Kleinmembran und weniger dicht. Und schon sind die Würfel gefallen ;)
 

wer.n wilke

wer.n the voice
Sprechprobe
Link
Warum wird ein Hörspiel nicht wie ein Film inszeniert und aufgenommen?
Tja - das geschieht, wenn auch eher selten, doch noch zuweilen. "Das Luferhaus" (Johanna Steiner) z.B. hat ein Experiment unternommen und in einem abgelegenen Haus ein Hörspiel live aufgenommen, mit teils improvisierten Texten. Ähnlich einem Theaterstück, nur mikrophoniert. Der WDR und SWR unterhalten noch den Luxus von Hörspielabteilungen, die unter quasi Livebedingungen produzieren. Und ja: da werden oder wurden Räume nachgebaut, mit Mobiliar, Schränken, Treppen, Türen etc., damit das alles max echt klingt. Christian Rode (RIP) erzählte einmal, dass er mal stunden lang in einer Badewanne liegen und sprechen musste, damit die Rolle auch echt echt klang.

Aber ja: ist richtig teuer und nur die großen Rundfunkabteilungen können sich noch den Spaß erlauben, wenn auch unter den skeptisch Blicken derer, die in KleinstLabels mit KleinstBudgets doch teiweise Erstaunliches, wie ich finde, zu Wege bringen. Stein/Hard z.B. lassen ihre Protagonisten zumindest im Ensemble einsprechen. (Vgl. Twilight Mysteries) oder die Truppe um Tommy Krappweis, die mit Ghostsitter ebenso im Ensemble aufnehmen. Aber ist halt - richtig - teuer.

Man darf auch nicht vergessen, dass das Hörspiel in den guten, alten Zeiten eine ganz eigenständige (Literatur-) Gattung war und für viele Kino- & TV-Ersatz. In den 50iger/60iger Jahren hatte nicht jeder ein TV, und wenn gabs 1 - 2 - 3 Programme, incl. Pausenzeichen zwischen 12 und 16 Uhr und ab 0 Uhr. Natürlich hatte da ein Hörspiel ein ganz anderes Gewicht und die Funkhäuser trieben allen Aufwand, der unterhalb der einer Filmproduktion gerade noch möglich war.
Und natürlich, die bekanntesten Bühnen-, Film & Fernseh Schauspieler kamen da zusammen und holla - aber manchmal auch hoppla - nicht alles war Gold, was dabei herauskam.

Nun sind ja auch heute die meisten Hörspiel/Synchron-Sprecher gestandene Schauspieler auch - und nicht alle sind nur Sprechschulenschüler. Nur, man ertrinkt ja fast in einer unüberschaubaren Flut von Hörspielen und die Verkaufszahlen/Stck bewegen sich eher am Abgrund, will man den Pessimisten glauben. Mittlerweile sind ja die Aufnahmegeräte derart billig, dass sogar unsereins ein ordentliches Tonstudio daHeim sich einrichten kann. Da passt dann allerdings auch nur knapp eine Person rein. Und steht mit'm Arsch anner Kabinenwand.

Ja, früher ... da wurde noch geraucht im Atelier und wenns mal klemmte, n Schnappi dazu. Nur, wenn sich einer im Ensemble versprach, musste die ganze Session ... alles auf Anfang. Müssen tolle Zeiten gewesen sein.

Ich selber -?- sprech auch gern solo ein. Da kann ich mir alle Fehler erlauben und so lange feilen, bis es passt. Ich denke, meine Hörer wissen, wovon ich spreche.

Und warum wird nicht mit Kleinmembran-Mikrofonen ohne Nahbesprechung aufgenommen, wenn es doch ein viel transparenteres Klangbild bietet?
Ja. Kleinmembraner sind transparenter, denn: kleine Membran = kleine Masse = präziseres Ein- und Ausschwingverhalten. (Hat nix mit dem Frequenzgang zu tun) Aber auch kleinere elektrische Leistung und so kleinerer Rauschabstand. Großmembran = größere Masse = träge, aber dafür größere elektrische Leistung und größer der Rauschabstand. Allerdings fällt das bei hochwertigen Geräten heut-zu-tage kaum noch ins Gewicht. Und ist eher ne Geschmacksfrage. Die meisten größeren Studios haben wohl beide Möglichkeiten.

Trotzdem, lieber Sirius: von hier aus noch einmal: Herzlichen GlückWunsch zum bestandenen Ton=Welt=Meister! Vll traust Du Dich ja nochmal in die Niederungen des reinen AmateurHörspiels? Cutter z.B. sind hier immer gern gesehn und nat. auch Soundzauberer und Tonmechaniker.
 
Oben