Chaos

Schneewittchen
Teammitglied
Sprechprobe
Link
Hallo, ihr Menschen des Hoertalks, es ist Herbst, das Jahr endet und ich denke über Enden und verpasste Gelegenheiten nach. Viel Spaß mit diesem Text :)
(geschr. 31.10.2020)


Ich stelle mir das so vor:

Unsere Blicke begegnen sich. Ich höre mitten im Satz auf zu sprechen, um dich kurz anzulächeln. Du lächelst zurück.

Jeden Morgen um genau 6 Uhr 47 begegnen wir uns beim Bäcker am Bahnhof. Du kaufst dir ein belegtes Brötchen mit Käse, du bezahlst immer bar und passend. Wenn du hineinbeißt, hältst du jedes Mal einen kurzen Augenblick inne, um zu genießen und ich genieße jede Sekunde dieses Anblicks.

Es ist Dienstagnachmittag, es ist ein Tag wie jeder andere, grau, ein wenig zu kühl und ziemlich ereignislos. Du fährst mit dem Rad an mir vorbei, während ich an einer roten Ampel stehe. Ich glaube, du weinst. Die Ampel wird grün.

Ich begegne dir zufällig bei Edeka, du kaufst Spaghetti und Hafersahne. Ich habe meine Einkaufsliste vergessen, aber mir geht später nicht mehr aus dem Kopf, wie entrückt du aussiehst, in diesem Moment, mit den Kopfhörern über den zerzausten Haaren, einer deiner Schnürsenkel ist auf.

Zwei Wochen zuvor sehe ich dich zufällig hinter der Scheibe eines Buchladens, in deinen Händen ein Roman, den ich vor einigen Tagen erst dort gekauft habe und ich stelle mir vor, wie sich das anfühlen würde, wenn ich nach deiner Hand greifen könnte.

Es regnet seit Tagen, ich gehe trotzdem spazieren, zuhause halte ich es nicht mehr aus. Es dämmert, ich schaue neugierig in fremde Wohnungen durch erleuchtete Fenster. Bei jedem Paar, das ich am Esstisch sitzen sehe, bin ich erleichtert, dein Gesicht nicht zu erkennen.

Irgendwann, denke ich, stelle ich mich dir vor.
Irgendwann, denke ich, werde ich dich grüßen und nach deinem Namen fragen.
Irgendwann, denke ich, traue ich mich endlich.

Aber irgendwann trifft niemals ein, denn
plötzlich bist du nicht mehr da,
nicht beim Bäcker
oder beim Warten auf den Zug,
hinter Schaufensterscheiben
und zwischen Regalreihen,
als hätte es dich niemals gegeben.
Ich lese den Roman,
den ich letztens gekauft habe, noch einmal,
in der Stadt lächle ich
in fremde Gesichter,
mit leeren Händen
laufe ich los
und
mit leeren Händen
kehre ich heim.
 

Mr_Kubi

Der auf den Bus wartet
Teammitglied
Sprechprobe
Link
Oh, das erinnert mich irgendwie an eine Paul Auster Geschichte die ich mal gelesen hab...

Falls Du eine Fortsetzung planst, könntest Du

a.) dem Verschwinden von "Du" mehr Raum geben (Perspektivwechsel). Und dann erörterst Du existentielle Probleme und Fragen nach der menschlichen Identität. =>Experiment

oder
b.) sie treffen sich einfach wieder und verlieben sich ;). Das wäre das triviale Ende ;)

beste
Greetings
Mr_Kubi
(vor sich hinsummend)
People are strange when you're a stranger
Faces look ugly when you're alone
 

Chaos

Schneewittchen
Teammitglied
Sprechprobe
Link
Oh, das erinnert mich irgendwie an eine Paul Auster Geschichte die ich mal gelesen hab...

Falls Du eine Fortsetzung planst, könntest Du

a.) dem Verschwinden von "Du" mehr Raum geben (Perspektivwechsel). Und dann erörterst Du existentielle Probleme und Fragen nach der menschlichen Identität. =>Experiment

oder
b.) sie treffen sich einfach wieder und verlieben sich ;). Das wäre das triviale Ende ;)

beste
Greetings
Mr_Kubi
(vor sich hinsummend)
People are strange when you're a stranger
Faces look ugly when you're alone


tatsächlich hatte ich bislang keine Fortsetzung geplant, aber wer weiß, wer weiß :D
sich einfach wiederzutreffen wäre aber glaube ich viel zu einfach. es geht ja eher um diese berührungen, die unsere leben mit den leben anderer manchmal haben, mal flüchtig, mal andauernd :)
 
Oben