Poldi

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Todesengel (Andreas Eschbach)

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Erster Eindruck: Superheld oder Superschurke?

Ingo Praise, ein Journalist, recherchiert in dem Fall von Erich Sassbeck. Dieser ist in eine Schlägerei geraten, doch am Ende sind seine Angreifer tot, erschossen. Ingo Praise glaubt ihm, dass nicht er geschossen hat, sondern ein Unbekannter. Bei seiner Arbeit stößt er auf immer neue Fälle dieser Art. Gibt es wirklich den Todesengel, der durch die Stadt zieht und Unschuldige beschützt?

Andreas Eschbach ist kein Unbekannter im Thriller-Genre, doch mit „Todesengel“ hat er einen Roman geschaffen, der sich deutlich von seinen bisherigen Büchern abgrenzt und eine ganz andere Themenwelt behandelt. Das zugehörige Hörbuch ist auf acht CDs bei Lübbe Audio erschienen. In Zeiten immer mehr zunehmender Gewaltbereitschaft, in der Medienberichte über Totschlägereien die Zeitungen dominieren, in der man fast allgegenwärtig eine gesellschaftliche Aggression zu spüren bekommt, kommt „Todesengel“ sehr zeitnah, sehr aktuell herüber. Schon in den ersten Minuten wird ein beklemmendes Szenario geschaffen, dem man sich nicht so leicht entziehen kann. Doch die Handlung weiß sich immer weiter zu steigern, erklimmt neue Höhen und bleibt dabei erschreckend realistisch, zu keiner Zeit hat man das Gefühl, das Erzählte könnte nicht auch in der Wirklichkeit passieren. Und dabei stellt „Todesengel“ Fragen und schneidet Themen an, die uns alle angehen. Wie er aus der Sicht der Opfer erzählt, ihr langes Leiden schildert, ist berührend und erschreckend zugleich. Immer weitere schockierende Details geraten an die Oberfläche und erschüttern immer mehr. Und auch die Medienkampagne, die Prause startet, ist höchst brisant und bringt eine weitere Facette mit ein. Alles fügt sich organisch ineinander, besonders die sehr gelungene Auflösung des Ganzen führt alle Fäden zusammen. Sogar die eingebaute Romanze ist hoffnungslos realistisch und präsentiert sich als nüchterne Großstadtliebschaft zwischen Beruf und Kindern. Andreas Eschbach hat ein sehr eindringliches, wuchtiges, spannendes und dramatisches Werk geschrieben, dass den gesellschaftlichen Wandel nachzeichnet und von der ersten bis zur letzten Minute fesseln kann.

Als Sprecher wurde Matthias Koeberlin ausgewählt, der einen sehr gelungenen Weg gefunden hat, die Geschichte auf seine Weise zu interpretieren. Er nimmt sich selbst stark zurück und lässt die Geschichte für sich wirken, hat aber dennoch genügen Ausdruck und Kraft, um die Wucht der Worte auf den Hörer zu übertragen. In der wörtlichen Rede verstellt er seine Stimme kaum, kann aber die Charaktere sehr gut darstellen und ihre komplexe Gefühlswelt mit einfachen Mitteln darstellen. Und auch den Spannungsbogen kann er geschickt aufschlagen und setzt alle Elemente des Romans gekonnt um.

In gewohnter Qualität des Labels ist die Aufmachung des Hörbuchs gestaltet. Das Cover wurde von der Romanvorlage entnommen und zeigt den schattenhaften Umriss mit Cape auf grünem Untergrund, der wie ein Farbspritzer auf das dominierende Weiß gekleckst scheint. Das Innere des mehrfach aufklappbaren Digipacks enthält Kurzinfos zu Autor und Sprecher sowie einen kleinen Text zum Thema Selbstjustiz.

Fazit: Ein durch und durch eindringlicher und packender Roman, der gesellschaftspolitisch brisante Themen anschneidet und sehr aktuell und erschreckend glaubwürdig erscheint. Die Ausstaffierung der Charaktere und ihrer Emotionen ist sehr gelungen, der sich stetig steigernde Spannungsbogen kann fesseln. Ein ungewöhnlicher Thriller ohne festgelegtes Schema, der einen aufgewühlt zurücklässt.

VÖ: 20.September 2013
Label: Lübbe Audio
Bestellnummer: 978-3-7857-4888-6
 
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