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Raskolnikow - Schuld und Sühne (Fjodor Dostojewski)

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Erster Eindruck: Zwischen Charakterstudie und Kriminalroman

Rodion Raskolnikow, ein verarmter Student aus Sankt Petersburg, muss zum Bestreiten seines Lebensunterhalts die wenigen Dinge verpfänden, die er noch besitzt. Langsam reift der Plan, die wucherische Pfandleiherin zu ermorden. Damit fühlt sich Raskolnikow auch im Recht, da er lediglich unwürdiges Leben auslöscht. Die Begegnung mit dem Trinker Marmeladow und seiner Tochter Sonja, die sich prosituieren muss, um zu überleben, sowie ein Brief seiner Mutter verfestigen seinen Plan…

„Raskolnikow – Schuld und Sühne“ des russischen Autors Fjodor Dostojewski ist sein wohl größtes und bekanntestes Werk. 1960 entstand beim WDR ein Hörspiel zu der bekannten Vorlage, das der Audio Verlag nun aus den Archiven geholt und auf CD in den Handel gebracht hat. Die Umsetzung ist hier sehr schlicht, es werden keinerlei Musikstücke verwendet, und auch die Geräusche beschränken sich auf einige wenige Stellen, sind die absolute Ausnahme in der Handlung. Und gerade diese Reduziertheit führt zu einem sehr scharfen Ausdruck der Geschichte, zu einem analytischen und auf die Charaktere fokussierten Ausdruck. Der Aufbau dieser klassischen Geschichte vollzieht sich recht langsam, anfangs werden in großer Ausführlichkeit die Armut und das Leiden der Figuren dargestellt. Raskolnikow, der sich gerade so über Wasser halten kann und nicht einmal die Miete für seine winzige Wohnung zahlen kann, aber auch Marmeladow, der alles Geld seiner Familie versäuft, wird mit seinem Hintergrund in tiefschwarzen Farben dargestellt, besonders das Zusammentreffen mit seiner Familie ist ein eindrucksvoller Höhepunkt. Mit dem Mord an der Pfandleiherin beginnt dann der Kern der Handlung, Raskolnikow reagiert ganz anders auf seine Tat, als er vorher gedacht hätte, zergeht langsam aber sicher in seinen Schuldgefühlen, distanziert sich immer weiter von der Gesellschaft. Hinzu kommt später noch eine Gerichtsverhandlung, das fast schon ein psychologisches Drama ist und noch einmal eine Portion Kriminalistik mit einbezieht. Das alles ist in scharfen, treffenden Worten geschildert, die die Gefühlswelt des jungen Mannes sehr eindringlich schildern. Obwohl manche Monologe doch etwas lang geraten sind, kann eine gewisse Dynamik erzeugt werden, die ich im Laufe der Zeit immer weiter steigert. Wer klassische Literaturvertonungen mag, wird auch an diesem sehr reduzierten und punktierten Hörspiel seine Freude haben.

Gerade ein solches Hörspiel, das so sehr von seinen Charakteren lebt, erfordert hervorragende Sprecher, jede Rolle ist mit einer markanten und ausdrucksstarken Stimme besetzt. Rodion Raskolnikow wird von Klaus Kammer sehr intensiv gesprochen. Den Weg vom scheinbar gefestigten jungen Student zum verstörten, von seiner eigenen Tat entsetzten gebrochenen Mann kann er facettenreich und sehr treffend darbieten. Soja Marmeladow wird von Gustl Halenke gesprochen, die in all dem Leid der Figur, all dem Schmerz und all der Erniedrigung noch eine sehr würdevolle und gutherzige Aura verströmen kann. Als Erzähler wurde Siegfried Wischnewski gewählt, der scharfsinnig und analytisch agiert, eher betrachtet denn beurteilt und dem Hörer damit dieses selbst überlässt. Weitere Sprecher sind Johanna Koch-Bauer, Helmut Peine und Ernst Ginsberg.

Die vier CDs dieses Hörspiels sind in einem ansehnlichen Digipack untergebracht, das mit seinen dunklen und erdigen Farben die gedrückte Stimmung dieser Produktion einfangen kann. Als Titelbild wird vor dunklem Hintergrund ein intensiv in die Kamera blickendes Männergesicht gezeigt, das nur zum Teil zu sehen ist. Im Inneren gibt es neben den Sprecherangaben noch zwei kurze Infotexte über Mitwirkende.

Fazit: Hier wurde Weltliteratur sehr schlicht, aber umso treffender umgesetzt, Die fehlenden Geräusche werden durch die hervorragenden Sprecher ausgeglichen, die ihren Charakteren sehr viel Ausdruck geben und deren Leid, insbesondere Raskolnikows Zerrissenheit sehr scharfsinnig darstellen. Geprägt von Leid und Elend, von Schuld und inneren Dämonen wahrlich kein leichter Stoff, aber sehr ausdrucksstark.

VÖ: 1.Februar 2014
Label: Der Audio Verlag
Bestellnummer: 978-3-86231-367-9
 
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