Die Sound-Beispiele auf der Webseite klingen ganz gut. Preis-Leistung scheint auch ganz ok zu sein. Aber: Du schreibst, dass Du selber (Hall-)Räume kreieren möchtest. Hast Du Dir das gut überlegt?
Ein Impuls-Hall ist eine realistische Moment-Aufnahme der akustischen Eigenschaften eines Raums. Ein algorithmisches Reverb ist nur eine stark vereinfachte Annäherung. Die Geometrie des Raumes wird dabei bis zu einem bestimmten Grad idealisiert, damit die jeweiligen Eigenschaften mit vertretbarem Aufwand mathematisch überhaupt berechenbar werden.
Vereinfacht ausgedrückt bedeutet das, dass ein algorithmisches Reverb sehr gut darin ist, leere, kastenförmige Räume mit flachen Wänden nachzubilden. Geometrisch komplexe Räume (Höhlen, gewundene Gänge, Treppenhäuser, möblierte Räume, Rohre, ...) können nur annähernd nachgebildet werden. Hier ist ein Impuls-Hall nicht zu schlagen (abhängig von der Qualität der Impuls-Aufnahmen).
Ein algorithmisches Reverb ist im Gegenbsatz zum Impuls-Hall jedoch nicht statisch. Bedeutet, man kann die Raum-Eigenschaften zur Laufzeit verändern (Beispiel: ein Raum mit sich absenkender Decke). Mit einem guten Impulshall geht das nur begrenzt, da man in dem Fall eine statische Raum-Aufnahme manipuliert. Das kann man gut mit Timestretching oder Pitchshifting vergleichen. Änderungen im kleinen Rahmen klingen noch ganz gut, grössere Änderungen jedoch zunehmend unnatürlich.
Der beste Kompromiss ist, wenn man auf beides zurückgreifen kann (algorithmisch/Impuls). Je nach Bedarf wählt man einfach die Raumsimulation, die für die Anforderung qualitativ ausreichend ist. Zugegeben: Für Hörspiel-Zwecke reicht ein algorithmisches Reverb in den meisten Fällen aus.
Aber kommen wir noch mal zurück zum Anfang. Dem Punkt "Räume selbst kreieren". Das ist deutlich schwieriger als man denkt. Wenn Du das ernsthaft vor hast, solltest Du Dich damit vertraut machen, welche Eigenschaften (Paremeter) die Wahrnehmung eines "Raums" ausmachen und wie sie zusammenhängen.
Ein normaler Raum hat üblicherweise 6 reflektierende Flächen. Also 6 leicht unterschiedliche Hall-Signale, die wir mit unseren Ohren wahrnehmen. Im Gegensatz zum Impulshall berechnet ein normales algorithmisches Reverb nur 1(!) davon. Die Fläche in Hörrichtung (da wo man den Kopf hin dreht und hinsieht). Gute Reverbs berücksichtigen auch noch die Breite des Raums, sein Volumen und die Oberflächeneigenschaften.
"AtomicReverb" gehört zu den letzteren. Der Grad an mathematischer Nachbildung hat aber auch seinen Preis. Es gibt eine grosse Anzahl von Parametern, die die Hall-Berechnung beeinflussen. Ich zähle mal die wichtigsten auf: Hall-Modell (Hall/Spring/Plate), Echo-Verzögerung (Pre-Delay), frühe Reflektionen (Early-Reflections), Raum-Grösse (Room-Size), Nachhall (Length/Duration), Oberflächen-Art (Damping). Aber auch wenn Du weisst, was diese Parameter bedeuten, wirst Du um eigene mathematische Berechnungen nicht herumkommen. Damit z.B. Pre-Delay, Early-Reflections und Room-Size zueinander passend eingestellt werden können, musst Du wissen, wieviel Zeit der Schall von seiner Quelle aus zu den Wänden und zurück zum Mikro braucht. Dein Plugin weiss schliesslich nicht, wo im Raum Du gerade stehst.
Sorry, wenn das jetzt insgesamt eher nach schlechtmachen klingt. Aber ich erinnere mich noch sehr gut an meinen Frust, als ich vor Jahren das Demo meines damals favorisierten Hall-Plugins getestet habe. Die Presets klangen durchweg gut. Aber nicht das, was ich durch planloses knöpfedrehen daraus gemacht habe. Und erst das Erstellen eines von Grund auf neuen Presets, das ging so garnicht. "Teures Schei** Plugin! Was soll daran so gut sein?", habe ich mir damals gedacht. Diese Erfahrung würde ich anderen gerne ersparen. Wer hier brauchbare Ergebnisse erzielen will, muss sich leider durch ein paar physikalische Grundlagen kämpfen. Sorry, dass ich für diese Weisheit ein paar Zeilen gebraucht habe.
Mein Fazit: AtomicReverb klingt gut und hat dafür einen absolut fairen Preis. Die Presets decken alle für "uns" wichtigen Räumlichkeiten ab. Ein wichtiges Kriterium für Einsteiger. Fortgeschrittene Hall-Theoretiker haben die Möglichkeit die Klangeigenschaften umfangreich anzupassen. Die GUI ist skalierbar und das Plugin ist auch als AU/VST3 in 64bit zu haben. Da bleiben kaum Wünsche offen. Ich hoffe das hilft Dir bei Deiner Entscheidung.