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Nonowe

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Hallo Leute!

@oxytocinated und ich waren gestern Abend bei einem "Live-Hörspiel" mit anschließendem Gespräch, eine Veranstaltung von Deutschlandfunk Kultur - es war echt interessant und deshalb dachte ich, ich teile die Erfahrung einfach mal hier, vielleicht interessiert es euch ja :)

Also zunächst: Es war überhaupt kein Live-Hörspiel in dem Sinne... das einzige, was live war, waren die Zuschauer... Es war einfach das fertig produzierte Hörspiel vor einem nach frischem Lack duftenden dunklen Bühnenbild... Aber das war auch schon das einzige, was ich etwas enttäuschend fand an dem "Live-Hörspiel", der Rest war klasse!

EDIT: ok, @oxytocinated hat mich gerade daran erinnert, dass es "Hörtheater" sein sollte, nicht Live-Hörspiel - trotzdem ;)

Das Hörspiel selbst war ein Psychothriller, der teilweise in einer hermetisch abgeschlossenen Irrenanstalt spielt, hier gibt's Details:

So bitterkalt

Nachdem das Hörspiel nach 59 Minuten durchgelaufen, wurde das Produktionsteam vorgestellt. Fragen waren erlaubt :)

Hörspielbearbeitung: Andrea Czesienski
Regie: Judith Lorentz
Mit: Moritz Grove, Hanna Plaß, Juno Meinecke (war da), Jörg Hartmann, Bernhard Schütz, Hansa Czypionka, Thomas Fränzel, Imogen Kogge, Benjamin Kramme, Shorty Scheumann, Annette Strasser
Komposition: Lutz Glandien
Ton: Andreas Stoffels
Produktion: Deutschlandfunk Kultur 2017


Uns hat natürlich vor allem die Herangehensweise bei der Produktion interessiert ;-) Hier sind ein paar "Random Facts":

Die Regisseurin hatte bei der Planung der Produktion bereits die Ambition, "die Klinik klingen zu lassen" - das ging so weit, dass sie räumliche Skizzen für die einzelnen Szenen gezeichnet und mit dem Tonmeister besprochen hat. Es gibt auch mehrere Szenen, die in Gängen oder Treppenhäusern oder versteckten Winkeln wie einem alten Speiseaufzug spielen. Das Ergebnis war auch wirklich beeindruckend - ist mir auch beim Hören aufgefallen: In einer Szene wird der Protagonist durch die Anstalt geführt. Zuerst dachte ich: "Hey, da ist ja nur ein Paar Füße zu hören! Wo sind die Schritte der zweiten Person!?" Gleichzeitig war die Szene aber wirklich voller Bewegung, die Schritte, der Hall im Treppenhaus, alles war dynamisch! Ganz schöne Bastelarbeit, dachte ich. Und dann stellt sich raus:
Das waren überhaupt keine Studioaufnahmen! In diesen vier Aufnahmetagen hat das Team - so haben sie es formuliert: "das ganze Funkhaus bespielt". Also waren Regisseurin, Tonmeister mit einer Angel (Mikro an der Angel) und den Schauspielern im Funkhaus unterwegs, das dann teilweise gesperrt werden musste. Und in dem Fall verstehe ich jetzt auch die "fehlenden Schritte": klar, im echten Leben hat einer der beiden Sneaker an, die gar nicht groß zu hören sind ;). Jedenfalls: die Klinik hat geklungen! Und in diesem Fall weniger durch Effekte, sondern tatsächlich durch Aufnahmen im Raum. Das ist allerdings auch für Deutschlandfunk-Produktionen wohl eher ungewöhnlich.

Was ganz normal ist: Die Schauspieler nehmen die Szenen tatsächlich zusammen auf, selbst, wenn es Studioaufnahmen sind, sind alle zusammen im Studio. Die Takes werden nicht einzeln, sondern innerhalb der Szene gesprochen. Im Fall von "So bitterkalt" gibt es davon auch Fotos, siehe Link oben.

Wow: Sie machen so acht bis achtzig Aufnahmen der Szenen bzw. Takes.

Meistens machen sie einen letzten Take ohne Skript - nachdem die Schauspieler die Szene so häufig durchgespielt haben, können sie sie mehr oder weniger auswendig. Dann entsteht ein Take, der zwar nicht immer ganz Skriptkonform ist, der aber oft das gewisse Etwas hat.

Der Tonmeister hat auch verraten: Es gibt meistens einen Haupttake, in den aber auch viel aus anderen Takes reingeschnippelt wird.

Beim Schnitt im Studio läuft es dann so: zwei arbeiten vorne, zwei hinten. Bedeutet, dass man sich die Szenen aufteilt, zwei Leute fangen vorne am Hörspiel an, zwei hinten, damit die begrenzte Zeit im Studio optimal genutzt wird (nur ein paar Tage). Wenn ich's richtig verstanden habe, setzt sich die Regisseurin mit jemandem vom Schnitt hin und markiert die Takes, die in den Rohschnitt sollen, dann kann die Detailarbeit parallel laufen.

Nachdem der Rohschnitt da ist, setzt sich die Regisseurin nochmal mit dem Komponisten zusammen - es gibt auch schon vorher ein Konzept für die Musik, das wurde in diesem Fall allerdings wohl komplett über den Haufen geworfen ;) Danach brauchte der Komponist etwa vier Wochen für die Musik.

Super Veranstaltung, dafür hat sich der Weg durch den Regen gelohnt :)
 
Zuletzt bearbeitet:
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Yüksel

Ui, sehr interessant, vielen Dank für Deinen Beitrag
 
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